Jeder von uns kennt die typischen Märchen wie Frau Holle, Hänsel und Gretel oder die 7 Zwerge, aber kennt ihr auch koreanische Märchen? Nein, dann taucht mit mir in diese Welt ein.

Das Mädchen “Duftender Frühling”

Vor langer, langer Zeit lebte ein hoher Staatsbeamter in der Stadt Namwon in der Provinz Cholla. Er hatte einen Sohn, Yi Doryung. An einem besonders schönen Morgen rief Yi seinen Diener und bat, an eine schöne Stätte geführt zu werden, wo er wilde Blumen finden könne. Der Diener Bangja geleitete seinen Herrn zu einem Sommerpavillon, nahe der Brücke. Der Ausblick von der Brücke war unbeschreiblich schön. Als Yi auf die Hügel blickte, sah er ein junges Mädchen auf einer Schaukel schwingen. Er schickte seinen Diener zu dem schönen Mädchen und erfuhr, dass sie den Namen Chunhyang, “Duftender Frühling”, trug und die Tochter eines *Kisäng war. Es war sehr schwierig, sie anzusprechen, denn sie war nicht nur ein schönes, sondern auch ein tugendhaftes Mädchen. Der Diener ging jedoch trotzdem zu “duftender Frühling” und sagte zu ihr, dass sein Herr sie gerne sehen möchte und er sie einlade, zu ihm zu kommen. “Weißt du nicht, dass der Schmetterling die Blume suchen muss, die Gänse die See, und die Krabben ihre Wohnstätte?”antwortet Chunhyang lächelnd. Der Diener brachte diese Antwort zu seinem Herren, der war sehr unglücklich darüber, und so ging er näher, um mehr von dem Mädchen und ihrer Schönheit zu sehen. Sie war wirklich außergewöhnlich schön, der Wind blies ihr schwarzes Haar mit dem langen Seidenband über ihr rosiges Gesicht. “Das Glück ist mir heute hold, warum sollte ich bis morgen warten? Soll ich nicht jetzt auf der Stelle dieses schöne Mädchen ansprechen?” fragte sich Yi. Doch da bemerkte das Mädchen, dass es beobachtet wurde, sie sprang von ihrer Schaukel, strich ihr Kleid glatt und lief zu ihrem Haus. Der Diener bat seinen Herrn, schnell nach Hause zu gehen, damit sein Vater nichts von dem Abenteuer erführe. Auch fürchtete er, bestraft zu werden, weil er den Sohn so weit fortgeführt hatte. Der Jüngling ging wie in einem Traum nach Hause. Er aß still mit seinen Eltern zu Abend. Nach dem Mahl ging er in sein Zimmer und öffnete ein Buch. Doch die Worte verschwanden vor seinen Augen und jedes Wort und jeder Buchstabe wurde zu “Frühling” und “Duft”. Yi rief seinen Diener und sagte “Ich muss noch heute Nacht Chunhyang sehen. Sagte sie nicht der Schmetterling müsse die Blume suchen?” Sie gingen zum Haus von Chunhyang und warteten unter dem Pfirsichbaum in ihrem Garten. In diesem Augenblick erzählte Chunhyangs Mutter ihrer Tochter einen Traum, den sie gerade geträumt hatte. Ein blauer Drachen umwand Chunhyang und flog mit ihr in den Himmel. Als die Mutter aufblickte, sah sie anstelle des Drachens in den Wolken einen Drachen auf der Erde, denn ihr Blick fiel auf Yi Doryung, dessen Name nichts anderes bedeutet als Traum Drachen. Der trat auf die Mutter zu und bat um die Hand von Chunhyang.  Die alte Frau stimmte freudig zu und sagte jedoch “Du bist der Sohn eines Edelmannes, und Chunhyang ist nur die Tochter des Volkes, deshalb kann keine formelle Heirat geschlossen werde. Doch wen du uns eine geheime Heiratsurkunde gibst und versprichst, meine Tochter nie zu verlassen, sind wir zufrieden”. Yi entgegnete “Das blaue Meer möge zu einem Maulbeerfeld werden und das Maulbeerfeld zur blauen See, mein Herz für Chunhyang aber wird sie niemals ändern. Himmel und Erde und alle Götter mögen Zeugen sein”. Yi besuchte seine heimliche Frau sehr oft, bis sie ihn ermahnte, zu hause zu bleiben und fleißig zu studieren, um ein hoher Staatsbeamter zu werden. Eines Tages brachte ihm sein Diener einen Brief mit der Nachricht, dass sein Vater nach Seoul ins Kabinett des Königs berufen worden sei. Yi musste seinen Vater begleiten. Er ging zu seiner Frau und sagte ihr dass man sich trennen müsste. Zärtlich nahm er Abschied von Chunhyang, die ihn bis zur Brücke begleitete. “Da es keinen anderen Ausweg gibt, wollen wir uns umarmen und voneinander scheiden” sagte Chunhyang. Dann gab sie ihm einen Ring und sprach “Dies ist der Pfand meiner Liebe zu dir. Bewahre es gut, bis wir uns wiedersehen, vergiss mich nicht. Ich werde dir treu bleiben und hier warten bis du zurückkehrst und mich nach Seoul holst”.

 

Der neue Richter für Namwon kam bald und forderte von seinem Diener “Zeigt mir das hübsche Mädchen, von dem ich gehört habe. Ihr Name ist Chunhyang. Bring sie zu mir”. “Das ist nicht so einfach” antwortete der Dienst. “Denn sie ist heimlich mit Yi Doryung, dem Sohn des früheren Richters verheiratet”. Der neue Richter befahl erneut sehr zornig das Mädchen sofort zu rufen. Chunhyang begleitete den Diener zum neuen Richter. Der Richter sah sie aufmerksam an “Ich habe viel von dir in Seoul gehört, und heute seh ich, dass du sehr schön bist. Willst du zu mir kommen?” Nach langem schweigen antwortete sie “Ich bin mit Yi Doryung heimlich verheiratet deshalb kann ich leider nicht antworten. Der König sandte Euch nach Namwon, um dem Volke zu dienen. Ihr habt eine große Verantwortung gegenüber dem Thron. Wenn Euch der König jedoch mit dem einzigen Zweck hierher gesandt hat, mich zu treffen, so muss ich diesem Befehl gehorchen. Aber Ihr würdet besser Eure Pflichten erfüllen und Gerechtigkeit nach dem Gesetzte walten lassen”. Diese Worte erzürnten den Richter, und er befahl, Chunhyang ins Gefängnis zu werfen. Vergeblich versuchte sie, sich zu verteidigen “Warum werde ich eingesperrt? Ich habe kein Unrecht begangen. Eine verheiratete Frau muss ihrem Ehegemahl treu blieben. Wenn der König von einem *Usurpator abgesetzt würde, würdet Ihr dann dem falschen Herren dienen?”

 

Mittlerweile war Yi in Seoul angekommen. Er studierte sehr eifrig, sodass er die Prüfung mit höchster Auszeichnung bestand. Der König fand Gefallen an ihm und beglückwünschte ihn und fragte den jungen Mann “Ich werde dir geben, was auch immer du dir wünscht. Möchtest du Richter oder Statthalter werden?” “Ich möchte gern zum Usa, einem Gesandten Eurer Majestät ernannt werden” antwortete Yi. So wurde er zum Usa ernannt, und mit seinen Begleitern zog er als Bettler verkleidet durchs Land um die Verwaltung in den einzelnen Bezirken zu überprüfen. Bald kam er in Namwon an. Wo die Bauern ihm ihr Leid klagten, dass der neue Richter sie auf jede erdenkliche Art aussagen würde, so dass ihnen kaum Essen bliebe. Yi hörte aufmerksam zu und sagte “Ich habe gehört, dass der neue Richter Chunhyang geheiratet hat und das beide glücklich zusammen leben”. “Wie kannst du es wagen, so zu sprechen Chunhyang ist treu und rein, und du bist ein Narr, so niederträchtig von ihr und diesem Tyrannen zu sprechen, der zu ihr so grausam ist. Der Sohn des früheren Richters hat das arme Mädchen verführt und sie dann verlassen, um nie wieder zurückzukommen. Er ist ein Hund, der Sohn eines Schweines” fluchte Chunhyangs Mutter.

 

In anderen Städten führten Gelehrte ein Gespräch. Yi hörte ihnen aufmerksam zu. “Diese Wolke ist wie ein Habicht, der sich seine Beute unter den Armen sucht.” “Diese Tage sind traurig ich habe gehört das eine junge Frau namens Chunhyang in zwei oder drei Tagen hingerichtet werden soll…” “Oh dieser Richter ist ein Schurke er denkt nur an Chunhyang, aber sie ist wie eine Pinie oder wie ein Bambus, der sich niemals wandelt, und sie bleibt ihrem Ehemann ergeben und treu”. Diese Worten ließen Yi besorgt und beschämt nach Namwon eilen.

 

Chunhyang war schon lange im Gefängnis immer treu im Andenken an Yi, und sie war schwach und krank geworden. Eines Tages hatte sie einen Traum, sie sah ihr Haus und alle Blumen, die sie gepflanzt und geliebt hatte, welkten dahin und ließen die Blätter fallen. Der Spiegel in ihrem Zimmer war zerbrochen, ihre Schuhe hingen am Balken über der Tür. Sie hielt einen blinden Mann auf, der zufällig am Fenster ihres Gefängnisses vorbeikam und bat ihn, den Traum zu deuten. “Ich werde dir sagen, was dies bedeutet die vertrockneten Blumen werden Früchte tragen, das Geräusch des zerbrochenen Spiegels wird man in aller Welt hören, die Schuhe an deinem Türbalken weisen darauf hin, dass dich viele Menschen besuchen werden um dir Ehre zu erweisen und dich beglückwünschen”. Chunhyang dankte dem Blinden und bot ihm Geld an, das er entgegennahm.

 

Der Richter rief seine gesamte Dienerschaft zusammen und gab Anweisungen “In drei Tagen werde ich ein großes Fest feiern und alle Richter in den umliegenden Städten einladen. Und an diesem Tag soll Chunhyang hingerichtet werden”. Yi kam in der Zwischenzeit in der Stadt an und ging zum Haus von Chunhyang, wo ihn ihre Mutter nicht erkannte. “Ich weiß nicht wer du bist” sagte sie. “Dein Gesicht erinnert mich an Yi, jedoch dein Gewand ist das eines Bettlers”. “Ich bin Yi” sagte der Bettler. “Ah jeden Tag haben wir auf deine Rückkehr gewartet, doch nun wird Chunhyang in drei Tagen tot sein”. “Höre, Mutter” sagte Yi, “selbst wenn ich nur ein elender Bettler bin so liebe ich Chunhyang doch aus ganzem Herzen und möchte sie sehen”. Sie führte ihn zum Gefängnis und klopfte an das Fenster der Zelle um ihre Tochter zu wecken. Yi kam ans Fenster, und Chunhyang sah ihn an. Sogleich streckte sie ihre Hände durch das Fenster und ergriff seine. “Auch wenn ich das Gewand eines Bettlers trage, so habe ich weder das Gesicht noch das Herz eines Bettlers” sagte Yi. “Liebster, geh mit meiner Mutter in mein Haus zurück und ruh dich von deiner langen Reise aus. Da ich doch morgen nach dem Fest sterben muss, wünsche ich von ganzem Herzen, dass du noch einmal zu meinem Fenster kommst, so dass ich die Freude habe dein liebes Gesicht noch einmal zu sehen, bevor ich sterbe” antwortete Chunhyang. Yi blieb die Nacht vor dem Gefängnis. Am nächsten Morgen zog er fort, um seine Diener zu versammeln, die alle wie er als Bettler verkleidet waren. Er gab ihnen für diesen Tag strenge Anweisungen. Yi gelang es, in den Hof des Palastes einzudringen und den Richter anzusprechen. “Ich bin ein armer Mann und ich bin hungrig. Gebt mir doch etwas zu essen”, aber der zornige Richter befahl seinen Dienern, den Eindringling sofort hinauszuwerfen. Yi kehrte jedoch in den Garten des Palastes zurück, indem er auf den Schultern seiner Diener über die Mauer kletterte. Yi ging erneut auf den Richter zu und fragte “Ich bin hungrig, könnt Ihr mir nicht etwas zu essen überlassen?” Der Richter befahl dem Bettler Nahrung zu bringen. Darauf sagte Yi “Ich bin Euch zu Dank verpflichtet, weil Ihr mir Speis und Trank habt bringen lassen, und ich möchte es Euch mit einem kurzen Gedicht vergelten”. Er überreichte ihm ein Papier, auf dem folgende Verse standen:

Dieser gute Wein in goldenen Gefäßen ist das Blut von tausenden Menschen.
Dieses herrliche Fleisch auf den Jadetischen ist Fleisch und Mark von zehntausend Leben.
Wenn das Wachs von den Kerzen tropft, die in dieser Banketthalle brennen, dann fließen Tränen von den eingesunkenen Augen des hungrigen Volkes. Viel lauter als die lärmenden Gesänge dieser Höflinge klingen die Klagen der unterdrückten Bauern.

Der Richter rief in Aufregung “Dieses Gedicht ist gegen uns gerichtet”. Er war voller Angst und dachte, wer solche Gedichte schreibt, muss mehr als ein gewöhnlicher Bettler sein. Er stand auf und wollte sich heimlich entfernen. Auch die anderen Beamten sprangen auf und verließen einer nach dem anderen den Saal. Doch jeder, der versuchte den Palast zu verlassen, wurde von den Dienern Yis aufgehalten. Dann befahl Yi seinen Dienern, Chunhyang zu holen, damit über sie Gericht gehalten werde. Die Diener brachten sie vor den Gesandten Yi. Dieser saß und sagte “Wenn du den Richter nicht liebtest, wirst du mich den Gesandten des Königs lieben? Weigerst du dich werde ich meinen Leuten, befehlen, dich auf der Stelle zu enthaupten”. Chunhyang rief ” Oh weh, wie unglücklich ist das arme Volk beschützen sollt, Ihr verurteilt ein unglückliches Mädchen, das Ihr begehrt sofort zum Tode. Oh, wir sind ein armes Volk. Die Frauen sind schwach und unglücklich”. Yi gab den Befehl, die Ketten zu lösen, die ihre Hände fesselten. “Nun hebe dein Haupt und blicke mich an”. “Nein” antwortete sie entschlossen, “ich werde euch nicht anblicken, ich werde nicht auf euch hören. Schneidet meinen Körper in Stücke, wenn ihr wollt, doch ich werde euch niemals gehören”. Yi war sehr glücklich über ihre Standhaftigkeit und Treue. Er nahm seinen Ring vom Finger und befahl einem Höfling, Chunhyang den Ring zu zeigen. Sie erkannte das Schmuckstück, das sie Yi einst gegeben hatte, sie erhob ihre Augen und erkannte ihren Mann. Vor Freude und Überraschung rief sie “Oh gestern war mein Liebster nur ein Bettler und heute ist er der Gesandte des Königs”. Yi gab die Anweisung, eine Sänfte zu bringen und sorgte dafür das Chunhyang sicher nach Hause gebracht wurde. Das Volk sang vor Freude und jubelte. Yi befahl den Richter von Namwon vor ihm zu erscheinen. “Der König hat dir befohlen, das Volk gut zu nähren. Du jedoch nährst dich vom Volk. Ich verurteile dich im Namen des Königs, du verlierst dein Amt. Deine Güter, die du gestohlen hast, werden eingezogen, und zum Wohle deines Magens wirst du auf eine ferne Insel verbannt, ohne Fleisch, ohne Wein und ohne Freunde. Ich ermächtige dich, das wilde Gras zu essen, bis sich dein Magen übergibt”. Yi führte seine schöne Braut aus dem Süden nach Seoul. Chunhyang wurde in großer Zeremonie den Eltern Yis vorgestellt, die sie voll und ganz anerkannten. Viele Jahre lebten Chunhyang und Yi glücklich zusammen und sie gebar drei Söhne und zwei Töchter.

 

*Kisäng: waren Unterhaltungskünstler, die auch für Liebesdienste zur Verfügung standen.
*Usurpator: jemand der widerrechtlich die Staatsgewalt oder Thron an sich reißt

 

Ihr könnt euch auch gerne die sehr süß gemachte Animation zum Märchen von 두두아저씨 ansehen:

춘향전 한국설화 Korean Folk Tales Animation

By Elli

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